Neue Zuger Zeitung – Prekäre Situation bei der städtischen familienergänzenden Kinderbetreuung

An der letzten Sitzung des GGR behandelten wir das SP-Postulat über den Ausbau im Bereich der vorschulischen Kinder-, insbesondere der Babybetreuung. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss […] auch künftig für Mittelstandsfamilien gewährleistet sein.“ Nach dieser zutreffenden Analyse kam die SP aber zu komplett unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Mit Verweis darauf, dass Baby-Betreuungsplätze einen nachgelagerten Bedarf auslösen, wollte der Stadtrat das Postulat abschreiben. Drei kurze Gründe zum offenkundigen Handlungsbedarf.

1) Der Bedarf an Betreuungsplätzen ist hoch, sehr hoch und es mangelt an subventionierten Plätzen. Gemäss Bericht des Stadtrates kann der Bedarf bei 62 Kinder im Vorschulalter gerade mal in 50% der Fälle gedeckt werden; bei 91 Babys sind es 11%. Sage und schreibe 89% des festgestellten Bedarfs sind ungedeckt! Zudem ist das Platzangebot der Kitas mit städtischer Leistungsvereinbarung zu rund 98 % ausgelastet. Zitat Stadtrat: „Dies bedeutet, dass die bestehenden Möglichkeiten heute ausgeschöpft sind. Die grosse Nachfrage zeigt auf, dass der Bedarf an Kinderbetreuung generell gestiegen ist.“ Dass gerade bei Babys unter 18 Monaten der Bedarf so gross ist, liegt auch an hiesigen Arbeitsmodellen, die – im Gegensatz zu Deutschland – einen kurzen, nur gerade dreimonatigen Mutterschaftsurlaub gewähren und Elternzeit noch wenig Stellenwert einräumen.

2) Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf entspricht einem gesamtgesellschaftlichen Interesse. Weder die Stadt noch der Staat generell soll Familien ein bestimmtes Familienmodell „verschreiben“. Eltern sollen vielmehr die individuelle Wahlfreiheit haben, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder ob sie – sei es auch nur partiell – auf externe Betreuungsformen zurückgreifen. Doch auch die Wirtschaft hat ein echtes Interesse daran, Mitarbeitende nach einer Babypause weiterbeschäftigen zu können. Die Schweiz hat im internationalen Kontext eine der höchsten Quoten von Frauen, die erwerbstätig sind, allerdings arbeiten sie europaweit am häufigsten in Teilzeit und in Kleinpensen. Und so verwundert es nicht wirklich, wenn sogar die Wirtschaftsverbände konstatieren, dass die Schweiz einen Nachholbedarf punkto familienergänzender Kinderbetreuung hat.

3) Die Kinderbetreuung ist de facto eine Verbundaufgabe von Gemeinden und dem Kanton. Die Stadt pflegt mit den anderen Gemeinden eine Vernetzung punkto Kinderbetreuung, allerdings rein operativ. Es mangelt an einer politischen Klärung: wenn eine Gemeinde etwa Betreuungsgutschriften an Eltern vergibt, dann sind diese entweder ausschliesslich in der eigenen Gemeinde nutzbar (Modell Cham) oder eben kantonsweit (Modell Baar). Aus Sicht der Eltern werden Kitas natürlich abhängig von der individuellen Lebenssituation gewählt; entweder in der Nähe des Arbeitsortes oder des Wohnquartiers. (25% der Kinder in den städtischen Kitas stammen aus anderen Gemeinden). Wir erachten es als wichtig, dass die Stadt mögliche Finanzierungsmodelle in Koordination mit anderen Gemeinden prüft. Es wären durchaus auch Mischformen von Leistungsvereinbarungen mit Anbietern und Betreuungsgutschriften pro Kind denkbar, wobei diese im Verhältnis zur Grösse des Portmonees stehen sollten.

Konkret wollten wir mittels Vorstoss, das Angebot an familienergänzenden Betreuungsplätzen für Säuglinge ausbauen und die Zusammenarbeit mit dem Kanton sowie anderen Gemeinden suchen. Nun sind der Kanton, die Gemeinden, Arbeitgebende oder Vereine gefragt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf effektiv zu verbessern.

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