GGR-Sitzung vom 16. September 2025
Marilena Amato Mengis
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen,
die vorliegende Finanzstrategie ist solide berechnet, gut untermauert und hält den Haushalt im Gleichgewicht. Dafür danken wir dem Finanzdepartement und dem Finanzsekretär ausdrücklich.
Dennoch nehmen wir die Strategie negativ zur Kenntnis. Wieso?
Erstens, weil sie das Pferd von hinten aufzäumt: Der Steuerfuss soll auf maximal 52 Prozent festgelegt werden. Dazu sagen wir klar Nein. Der Steuerfuss ist ein Mittel, kein Ziel. Er soll so hoch sein, wie es für die Finanzierung der städtischen Aufgaben nötig ist.
Zweitens, weil die Folgen der formulierten Strategie ausserhalb von Budget und Investitionsrechnung fast vollständig ausgeblendet werden. Standortattraktivität wird einseitig als Anziehungskraft für wohlhabende Fachkräfte und Firmen definiert. Welche Auswirkungen das wachsende Ungleichgewicht zwischen Arbeitsplätzen und EInwohnerschaft und der sich stark verändernde Bevölkerungsmix hat, wird nicht erörtert. Es geht nicht nur um die hohen Mieten und die Gefahr, dass der politische Rückhalt schwinden könnte. Die Fragestellungen und Folgen sind vielschichtiger und viel komplexer.
Hätte man anstatt zweier Ökonomen, vielleicht auch ein Demografin oder einen Soziologen beigezogen, wäre vielleicht nicht untergegangen, dass die Strategie “Geld anziehen” auch einen Preis hat, der sich nicht einfach monetär beziffern lässt. Aber auch ohne hochkarätige Wissenschaftliche Studien liegen die wirklich wichtigen Fragen auf der Hand:
- Gemäss den Ökonomen braucht Zug, um den Status quo an Finanzkraft zu halten, jedes Jahr mehrere Hundert hochqualifizierte Zuzüger/-innen (aus aller Welt). Was bedeutet das für unsere Stadt? Eben nicht nur steigende Wohnungspreise.
- Junge, internationale Zuziehende bringen Vielfalt, aber auch neue Bedürfnisse: zum Beispiel wachsen Kinder vermehrt ohne Grosseltern in der Nähe auf. Oft fehlt das familiäre oder ein stabiles soziales Netz. Für Kinderbetreuung, Hilfe oder Pflege im Not- / Krankheitsfall und ähnliches, braucht es vermehrt professionelle Anbieter.
Zudem fehlen Szenarien, die aufzeigen, was es bedeutet, wenn immer weniger Menschen in Zug in systemrelevanten Berufen arbeiten und pendeln müssen: mehr Verkehr, mehr Infrastrukturbedarf – und weniger Bezug zur Lebensrealität der Bevölkerung. Verwaltungsangestellte, die keinen Bezug zur Stadt haben, Lehrpersonen die Quartiere nicht kennen, aus denen die Kinder kommen.
Auch die Idee der ETH Learning Factory klingt attraktiv, fokussiert aber auch auf Hochqualifizierte. Die Stadt funktioniert aber nicht nur mit Hochqualifizierten.
Solche Aspekte sind zentral und solche Überlegungen sind zwingend zu machen, bevor wir festlegen, dass unser strategisches Ziel sein muss, den Steuerfuss bei maximal von 52 % anzulegen.
Unser Fazit: Das Finanzdepartement und der Finanzsekretär haben gute Arbeit geleistet. Aber leider unter den falschen bzw. fehlenden Voraussetzungen. Für uns ist klar, diese Strategie kommt nur den Wohlhabenden zu Gute, sie dreht eine gefährliche Spirale weiter, die Ungleichheiten verschärft auf Kosten jener, die für eine funktionierende Stadt lebensnotwendig sind und denen die Stadt am Herzen liegt.
Wir brauchen eine Gesamtstrategie, die ihren Erfolg nicht am Überschuss festmacht, sondern an der Zufriedenheit ihrer Einwohner:innen, aller nicht nur der besten Steuerzahler:innen.