Standpunkte: Schönwetterprognosen

Morgen Abend können Sie im Casino ein Polit-Schauspiel erleben, gratis und mit Apéro. Gemäss dem in alle Haushalte versendeten Faltflyer soll den Zugerinnen und Zugern eine “ungeschminkte Analyse der Stadtzuger Finanzen” dargeboten werden. Gesponsert und inszeniert wird die Veranstaltung vom “Zuger-Care-Team” für eine bürgerlich regierte Stadt. BS14! nennt sich der Verein. Als Hauptdarsteller konnten die Veranstalter Dr. Karl Kobelt gewinnen. Dieser übernahm bekanntlich das Amt von Finanzchef und alt-Stadtrat Ivo Romer vor rund 6 Monaten. Angekündigt als veritabler Aufklärer soll er Ihnen aufzeigen, “wie es um die Finanzen der Stadt Zug wirklich steht, nachdem in den vergangenen Jahre nur immer Schönwetterprognosen zu vernehmen waren.” Chapeau, mag man sich da denken: endlich einer, der Klartext reden wird!

Als langjähriges GGR-Mitglied habe ich mich beim Lesen der Flyer-Einladung unweigerlich gefragt, ob mich die drei bisherigen Finanzchefs, die ich während den letzten zwölf Jahre erleben durfte – alle übrigens aus der FDP, mit klingenden Namen wie Luchsinger, Christen und eben Romer – mit ihren “Schönwetterprognosen” zu den städtischen Finanzen stets an der Nase herumgeführt haben? –

Nein, so war es nicht! Das Parlament kannte und kennt die Wahrheit über die städtischen Finanzen schon lange. Dem Parlament wurde nie ein X für ein U vorgemacht, weder vom bürgerlichen noch vom linken Stadtrat. Dieser hatte stets vor den Risiken der NFA- und ZFA-Belastungen gewarnt. Regelmässig hatte er auf die zu erwartenden Steuerertragsausfälle zufolge der kriselnden Wirtschaft hingewiesen. Auch hatte er die von den bürgerlichen Parteien durchgepaukten Steuergesetzrevisionen mit den programmierten Steuerausfällen stets als Gefahr für einen ausgeglichenen Finanzhaushalt apostrophiert. Um diesen Bedrohungsszenarien Herr zu werden, wurden 2011 vom damaligen Finanzchef und seinen Fachleuten gar Steuerfusskorrekturen nach oben vorgeschlagen.

Alle diese Warnrufe verhalten jedoch in den Reihen der bürgerlichen Parlamentsmehrheit. Deren einziges Ziel war es bloss, den tiefen Steuerfuss zu zementieren oder gar noch mehr zu senken. Lieber den Hebel auf der Ausgaben- statt auf der Ertragsseite ansetzen, lautet die Durchhalteparole! Die Folgen dieser Politik sind heute bereits in Kernbereichen spürbar: substantielle Abstriche bei der Bildung und Leistungsabbau zulasten der Zugerinnen und Zuger.

Insofern müsste an sich interessieren, was denn der Finanzchef morgen Abend im Casino an Wahrheiten in seiner “ungeschminkten Analyse” offenbaren könnte. Anlässlich der GGR-Debatte zur Rechnung wusste Dr. Karl Kobelt allerdings nichts wirklich Neues zu berichten, ausser dass der – aktuell linke – Stadtrat in weiser Voraussicht einen dreistufigen Massnahmenplan mit konsequenter Spar- und Verzichtsplanung, einer entlastender Reduktion der NFA- und ZFA-Beiträge und einer Optimierung der Erträge erlassen hat. Daher will der Stadtrat auch nicht als erstes zum «Mittel der Steuerfusserhöhung» greifen. Wie sein FDP-Vorgänger schloss er solches aber nicht aus, falls der Massnahmenplan nicht die gewünschte Wirkung zeitigen sollte. Die Investitionen können nämlich nicht komplett heruntergefahren werden.

Also, meine Damen und Herren, viel mehr Klartext als Sie nun bereits gelesen haben, wird morgen Abend im Casino – ausser man verwirbelte bewusst Dichtung und Wahrheit – wohl nicht geredet werden. Da tun sie allenfalls besser daran – die Prognosen, sind vielversprechend, Schönwetterprognosen eben –, irgendwo einen schönen Sommerabend zu geniessen anstatt sich von einem lau inszenierten Schauspiel langweilen zu lassen.

Urs Bertschi, SP-Fraktionschef im Grossen Gemeinderat

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