Stadttunnel Zug: Was 2015 nicht überzeugte, tut es auch 2023 nicht

«Hilfe! Eine Grossbaustelle mitten in der Stadt! Und das über Jahre! Bitte nicht!» Ich gebe zu, das ist ein ziemlich reflexartiger und sehr egoistisch-subjektiver Einwand gegen den Zuger Stadttunnel. Schliesslich bin auch ich für eine verkehrsberuhigte, attraktive Stadt. Also versuchen wir, das Projekt, über das wir voraussichtlich im März 2024 abstimmen werden, etwas fundierter zu betrachten.

Wieso ein Tunnel?
Das Wichtigste voran: Hauptsächlich geht es den Planern darum, den Verkehr zu verflüssigen. Dank Tunnel soll das historische Zentrum vom Durchgangsverkehr entlastet und aufgewertet werden. Allerdings – so ist auch festgehalten – brauche es dazu flankierende Massnahmen.
Diese sind noch nicht bekannt und Sache der Stadt. Der Kanton «schenkt» der Stadt Zug also einfach mal den Tunnel. Ein Geschenk, das die Steuerzahlenden einmalig 700 Millionen und für den Betrieb dann rund 1 Million jährlich kostet.

Welche Entlastung bringt der Tunnel?
In diesem Punkt ist der Kanton klar: Es geht nicht etwa um eine Reduktion des Verkehrs, sondern um eine Verlagerung. Es ist sogar damit zu rechnen, dass durch den Ausbau noch mehr Autos nach und durch Zug fahren. Die Ein- und Ausfahrten des Tunnels kommen beim Gubelloch (beim Bahnhof) und bei der Artherstrasse zu liegen. Dadurch entsteht eine Art Schnellstrasse unter der Vor- und Altstadt hindurch. Diese wird den Durchgangsverkehr schlucken.
Soweit so gut. Viel bedeutender ist aber der Ziel- und Quellverkehr aus der Stadt selbst, weil Herr und Frau Zuger auch für Kurzstrecken bequemer mit dem Privatauto fahren. Dieses Problem wird nicht gelöst, sondern potenziell verschärft.

Wer wird belastet?
Auch hier ist der Kanton brutal ehrlich: Die einwohnerreichsten Quartiere im Westen der Stadt, Herti und Lorzen, und wohl auch das Guthirt im Norden, müssen mit massiv mehr Verkehr rechnen. Eine regelrechte Blechlawine ist beim Gubelloch vorgesehen: Rund 4 (!) Mal mehr Autos werden über die heute schon unübersichtliche und sehr breite Strasse rollen. Da diese Masse ja irgendwo abfliessen muss, ist zu befürchten, dass es bald eine Verlängerung der General-Guisan-Strasse über die heute noch grünen Felder brauchen wird.

Was heisst das für die Stadtentwicklung?
Dass das Tunnelportal ausgerechnet beim Gubelloch, also beim Bahnhof und Metallizentrum zu liegen kommt, ist für mich komplett unverständlich. Wie eingangs gesagt: Das ist mitten im pulsierenden Zentrum der Stadt. Hier steigen Tausende Menschen täglich in und aus den Zügen, hier wird eingekauft, gearbeitet, gegessen und umgestiegen. Hier, an der Naht zum „zukünftigen“ Zug, dem Landis-Gyr-Areal mit Freiruum und den noch zu entwickelnden Gebieten, mitten im Verdichtungsgebiet, wird ein Verkehrsschlund in der Breite ähnlich einer Autobahn gebaut. So wird die bereits durch die Bahnlinie geteilte Stadt noch zusätzlich zerstückelt. Wie kann das im Sinne einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung sein?

Wie steht es mit der Nachhaltigkeit?
Ist der Bau und Unterhalt eines Strassentunnels vereinbar mit den Klimazielen? Ich hab nicht recherchiert, wieviel graue Energie in so einem Projekt steckt. Doch allein die Tatsache, dass damit keinerlei ökologische Ziele verfolgt werden und kein einziges Auto weniger fahren wird, sollte doch für Fundamentalkritik reichen. Kann ein Projekt, das vor bald 10 Jahren verworfen wurde, die Lösung für die Mobilitätsbedürfnisse unserer Kinder in 20 Jahren sein? Wieso wurde in all den Jahren nicht ein einziger Pilotversuch mit alternativen Verkehrsführungen gestartet? Beim Jodelfest hat die Sperrung der Vorstadt doch wunderbar geklappt?

Mein Fazit?
Zug verdient ein verkehrsberuhigtes Zentrum. Das Zentrum ist dort, wo Zug wohnt, lebt und arbeitet. Natürlich soll auch die Altstadt entlastet werden. Aber nicht damit der Verkehr flüssiger rollt, sondern damit sie zum Bummeln einlädt, Lädeli und Gastrobetriebe in eine attraktive Umgebung eingebettet sind. Damit sie zukünftigen Generationen erhalten bleibt. Dafür braucht es moderne Mobilitätskonzepte. Schauen wir in fortschrittliche Städte im Norden, wo auch Autos fahren, aber Velos das Stadtbild prägen. Schaffen wir ein durchgängiges, attraktives und sicheres Netz für Fussgängerinnen und Langsamverkehr. Schaffen wir Frei- und Begegnungsräume. Machen wir das Auto überflüssig, anstatt noch mehr davon anzuziehen.

Marilena Amato Mengis, GGR Stadt Zug

Politblog Zentralplus vom 12. Oktober, Stadttunnel: «Bitte keine Grossbaustelle mitten in Zug!»

Marilena  Amato Mengis

Marilena Amato Mengis

Grosser Gemeinderat der Stadt Zug GGR

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