Zug hat Geld – aber keinen Plan

Kolumne “Standpunkt” vom Marilena Amato Mengis in der Zuger Zeitung vom 2. September 2025 (ungekürzt)

Warum eine Finanzstrategie allein keine Zukunftsstrategie ist

Geld ist kein Ziel, sondern ein Mittel
Die Stadt Zug präsentiert seit Jahren ihre Finanzstrategie als zentrales Steuerungsinstrument. Sie ist durchdacht, solide berechnet und mit Studien untermauert. Doch bei allem Lob: Eine Finanzstrategie ist keine Gesamtstrategie. Sie beantwortet lediglich die Frage, wie Mittel beschafft werden – nicht aber, wofür. Die entscheidenden Fragen bleiben offen: Wohin soll sich Zug gesellschaftlich, wirtschaftlich, kulturell entwickeln? Welche Prioritäten – nebst dem tiefen Steuerfuss – wollen wir setzen?

Wenn Finanzen zum Selbstzweck werden
Mit der Finanzstrategie als Selbstläufer, deren Hauptziel das Anziehen von Steuersubstrat ist, laufen wir Gefahr, den Blick auf die Folgen für die Gesellschaft total auszublenden. Dabei sind die Konsequenzen heute schon spürbar:

  • Um den Status quo zu halten, braucht es jedes Jahr mehrere Hundert hochqualifizierte Zuzüger/-innen (aus aller Welt). Das treibt die Mieten weiter nach oben und verdrängt hier verwurzelte Menschen, vor allem Familien und Personen mit tiefen und mittleren Einkommen.
  • Junge, internationale Zuziehende bringen Vielfalt, aber auch neue Bedürfnisse: zum Beispiel wachsen Kinder vermehrt ohne Grosseltern in der Nähe auf. Oft fehlt das familiäre oder ein stabiles soziales Netz. Für Kinderbetreuung, Hilfe oder Pflege im Not- / Krankheitsfall und ähnliches, braucht es vermehrt professionelle Anbieter.
  • Eltern, die das hiesige Bildungssystem nicht kennen, stellen andere Erwartungen: Vorschulbildung, Ganztagesbetreuung, Gymnasium statt Lehre.
  • Immer weniger Menschen in Zug arbeiten in systemrelevanten Berufen: Pflege, Betreuung (bei exponentiell steigendem Anteil an über 80jährigen), Detailhandel, Handwerk etc., aber auch Bildung. Was passiert, wenn all diese Berufsgruppen durch Pendler/-innen besetzt werden müssen?
  • Wer engagiert sich in den Vereinen, der Feuerwehr, der Politik? Wer macht überhaupt noch Freiwilligenarbeit? Wer trägt Traditionen weiter? Schon heute kämpfen Veranstaltungen wie Chesslete, Märlisunntig, aber auch viele Vereine mit der schwierigen Suche nach Nachfolge.

Stadt gestalten statt Geld verwalten
Die zentrale Frage lautet also nicht: «Wie ziehen wir möglichst viel Steuersubstrat an?» Sondern: «Wofür – und zu welchem Preis?». Diese Diskussion liegt seit Jahren auf dem Tisch. Doch die «Entwicklungsstrategie» der Stadt beschränkt sich bislang auf wohlklingende Slogans in einem reduzierten Leporello – ohne verbindliche Ziele, fundierte Analysen, überprüfbare Massnahmen und regelmässige Reviews. Während die Finanzstrategie präzise und professionell entwickelt und umgesetzt wird, fehlt ein vergleichbarer Prozess auf übergeordneter Ebene. Ein «soziodemographisches Controlling» sozusagen, das erlaubt, Szenarien und Entwicklungen vorauszusehen, eine Dachstrategie zu formulieren und entsprechend zu agieren.

So dreht sich Zug in einer Endlosschlaufe: alles kreist ums Geld. Was Not tut, ist eine Gesamtstrategie, die beschreibt, wie Zug in 20, 30 Jahren aussehen soll. Das ist eine Kernaufgabe der Politik, in erster Linie des Stadtrats. Erst wenn dieses Zukunftsbild steht, kann auch die Finanzstrategie gezielt darauf ausgerichtet werden. Dann gestalten wir diese Stadt – statt sie nur zu verwalten.

Marilena Amato Mengis, SP, Mitglied GPK und Grosser Gemeinderat, Stadt Zug

Marilena  Amato Mengis

Marilena Amato Mengis

Grosser Gemeinderat der Stadt Zug GGR

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