Zug zieht Unternehmen und hochqualifizierte Fachkräfte aus der ganzen Welt an. Gleichzeitig herrscht Mangel an guten Berufsleuten und ein Unbehagen über die starke Zuwanderung. Eine enorme Herausforderung für Wirtschaft, Gesellschaft und (Bildungs-)politik. Derweil beschäftigen wir uns in Zug mit einem Pseudoproblem: Die Senkung der Gymi-Quote mittels Einführung einer Übertrittsprüfung ins Langzeitgymnasium.
Pseudoproblem
Die minimale Rückfallquote zeigt, dass sich das bestehende prüfungsfreie Verfahren bewährt. Eine Prüfung erhöht den Druck auf Lehrpersonen (teaching to the test), auf Kinder und Eltern. Schliesslich begünstigt es jene, die sich Nachhilfekurse leisten können. Das schadet der Unterrichtsqualität, untergräbt die Chancengerechtigkeit und lässt die Nachhilfeindustrie blühen. Dagegen helfen auch keine Gratiskurse. Diese sind höchstens ein Eingeständnis, dass es ohne nicht geht.
Bekanntlich stehe ich mit dieser Meinung nicht allein. Ein breit abgestütztes Komitee hat innert weniger Monate 2’000 Unterschriften für die Beibehaltung des prüfungsfreien Übertritts gesammelt. Wir werden also darüber abstimmen können. Ich persönlich frage mich seit der Lancierung der Idee: «Wozu die ganze Übung?»
Kontraproduktiv
Betrachten wir den Arbeitsmarkt in Zug, mutet es geradezu paradox an, die Gymiquote künstlich tief zu halten. Hier dominieren Akademikerjobs den Markt. Gibt es zu wenig Nachwuchs vor Ort, wird weltweit rekrutiert. Dies auch deshalb, weil die mehrheitlich im Ausland ausgebildeten CEO und HR-Verantwortlichen keine Ahnung davon haben, was und wie hochwertig ein eidgenössisches Berufsdiplom ist. Das wissen auch immer weniger Eltern und Kinder. Die Einführung einer Prüfung verstärkt den Eindruck, die Sek sei lediglich «second best» und nicht eine Alternative, je nach Interesse und Begabung.
Alle Bildungswege stärken
Statt Bildungswege gegeneinander auszuspielen – mit dem bescheidenen Ergebnis, ein paar notenstarke Kinder mehr in der Sek zu haben, die lieber studieren würden – sollten wir uns auf die Frage konzentrieren, wie wir alle Bildungswege stärken können. Was braucht es, um die Kinder optimal auf das Leben und die Anforderungen der Wirtschaft vorzubereiten? Und zwar alle. Egal ob Gymi, Sek oder gerade auch jene in der Real.
Und es braucht Investitionen in die Berufsbildung. Anreize für die Lehrlingsausbildung und Unterstützung der Lehrbetriebe, besonders der KMU. Damit die Berufsbildnerinnen und Berudsbildner einen guten Job machen können. Last but not least: Machen wir den Wert der Berufslehre sichtbar! Durch Information und durch international verständliche Titel für die eidgenössischen Abschlüsse, wie z.B. «Professional Bachelor». Damit erhöhen wir die Karrierechancen unserer Berufsleute im In- und im Ausland.
Zug zur Kaderschmiede machen
Um Zug zur Kaderschmiede zu machen, braucht es also Rezepte auf einer ganz anderen Ebene. Von den eigenen Kindern eine Prüfung zu verlangen, Zuziehende aus anderen Kantonen und dem Ausland aber weiterhin prüfungsfrei an die Kanti zu lassen, erscheint ebenso paradox wie das Bestreben an sich, die Gymiquote in unserem international ausgerichteten Kanton mit überdurchschnittlichem Bedarf an Hochqualifizierten künstlich tief halten zu wollen. Stärken wir alle Bildungswege, investieren wir in unseren Nachwuchs, statt ihm unnötig Hürden in den Weg zu stellen. Oder wo sollen sie herkommen, all die Fachkräfte von morgen?
Marilena Amato Mengis
Mitglied Grosser Gemeinderat (GGR) Stadt Zug
SP Fraktion
Erschienen in der Zuger Zeitung vom 20. August 2024